Ladies Night - Presskritiken

Theater Regensburg


Mittelbayerische Zeitung, 27.11.2011

Die Hosen runter – und Hut ab!

Altes Eisen, zum Sixpack umgeschmiedet: Die „Ladies Night“ am Bismarckplatz ist eine heiße Nummer.

von Claudia Bockholt

REGENSBURG. Tun sie’s – oder tun sie’s nicht? Bevor diese essenzielle Frage beantwortet wird, müssen auch die Damen (und versprengten Herren) Theaterbesucher sich zweieinhalb Stunden gedulden. Dem Spannungsbogen zuliebe halten wir es ebenso: Das Beste (Stück) kommt zum Schluss.

Ohnehin geht es ja in „Ladies Night“ um weit mehr als die Aktivierung des weiblichen Kreisch-Gens. Der populäre Theaterstoff aus dem Jahr 1987, der zehn Jahre später durch den preisgekrönten Kinofilm „Ganz oder gar nicht“ endgültig berühmt wurde, hat einen düsteren Hintergrund. Die sechs ehemaligen englischen Stahlarbeiter, die verzweifelt nach einem Job suchen und schließlich als Chippendales für Arme, als „Wilde Stiere“, an Kohle kommen wollen, entblößen sich in dieser Geschichte auf mehr als nur die eine Weise.

Karl-Heinz Steck hat die Bühne am Bismarckplatz in eine rostende Industrieruine verwandelt, in der nur noch jugendliche Graffitis von Leben zeugen. Ein hübscher Gag ist der Hinweis auf den scheidenden Intendanten: „Ernö Was Hier“. Das Programmheft verweist auf die Nähe der Maxhütte, in der vor bald zehn Jahren die Öfen endgültig ausgingen. Auffanggesellschaft, Übungsfirma, Jobcenter, Hartz-IV: Viele Männer in Sulzbach-Rosenberg mussten lernen, damit umzugehen. Und „Ladies Night“ fragt: Was geschieht in einem Mann, der seine Kumpels verliert und die Familie nicht mehr ernähren kann? Wieviel „Männlichkeit“ büßt er ein?

Haha! „Große Lümmelparade…“

Der brave, gemütvolle Barry (Michael Heuberger), der prollige Dave (Hubert Schedlbauer) und der linkische Norman (Thomas Birnstiel in einem sensationell scheußlichen Jogginganzug; Kostüme: Heide Schiffer-El Fouly) knabbern schwer daran, eigentlich zu nichts nütze zu sein. Dave, der überall Schulden hat, kommt auf die Idee, es den Chippendales gleichzutun und sich als laszive Tänzertruppe aus den Miesen herauszuarbeiten. Haha! „Große Lümmelparade, bringen Sie Ihr eigenes Mikroskop mit“, lästert Barry. Und doch machen sie zögerlich mit, trotz Barrys wenig bühnenreifer Love handles an der Taille und der Prüderie Normans, der sich gerne die Hose bis unter die Achseln hochzieht.

Wirklich komisch und vom Publikum mit anfeuerndem Klatschen begleitet, sind ihre ersten Versuche als grobmotorische Ladykiller: Norman pult sich zu „Je t‘aime…moi non plus“ verträumt im Nabel herum, Barry verheddert sich zu „Born to be wild“ im Hosenbein, nur das Raubein, mit Kippe im Mund, kriegt zu „Hold on, I‘m coming“ einen Hauch Machotum auf die Reihe. Ja, auch Dave verbirgt etwas hinter seinem Gepoltere: Die Angst, seinen Sohn zu verlieren, für den er keinen Unterhalt mehr zahlen kann.

Das Trio heuert Graham (Jan-Hinnerk Arnke), der der Gattin die schmachvolle Arbeitslosigkeit verschwiegen hat, als Choreografen an. Der hibbelige Gutmensch Gavin (Paul Kaiser), der nicht tanzen kann, aber dafür prächtig bestückt ist, und der verschlossene Wesley (Markus Hamele) stoßen dazu. Fertig ist das rattenscharfe Sixpack.

Fast. Noch müssen reichlich Hemmungen abgebaut werden. Wesley sorgt sich, weil „seiner“ zu klein ist und auch die Penispumpe nicht hilft. Graham hat Angst, dass seine Frau ihm auf die Schliche kommt. Gavin und Norman müssen sich als Paar finden – in einer fast rührenden homoerotischen Szene, die Kaiser und Birnstiel ohne Peinlichkeit bewältigen… Irgendwann haben alle begriffen: Das Projekt „Wilde Stiere“ ist eine Riesenchance – um an Geld zu kommen und sich dem Leben neu zu stellen.

Regisseur Michael Lerchenberg, bekannt nicht zuletzt vom Nockherberg, bewies eine sichere Hand bei der Rollenverteilung und schaffte es, einige neue Facetten auch bei vertrauten Schauspielern zum Funkeln zu bringen. Die Inszenierung stellt das Bühnengeschehen immer wieder auf eine Meta-Ebene. Die Schauspieler geben Regieanweisungen „Lass’ mal das Handy klingeln“ und erläutern die von einer Werksirene eingeläuteten Szenenwechsel („Das ist jetzt bei Dave im Wohnzimmer“). Sie spielen Klingeltöne und die Dame im Callcenter. Das verleiht der Handlung, die kleinere Längen hat, immer wieder Tempo.

Man zieht den Hut vor ihrem Mut

Zum Fressen sind diese Stiere, die ihre Ängste niederkämpfen. Und zum Niederknien ist ihr großes, samtrot unterlegtes Cop- und Bauarbeiter-Finale unter kreisendem Disko-Stroboskop. „I want some Hot Stuff, Baby, this evening“, singt Donna Summer. Und nun johlen sie endlich, die Damen im ehrwürdigen Theaterbau. Und die Männer zeigen, was sie haben. In rotem Lackleder-Tanga, dann nur noch von der Mütze bedeckt. Hut ab, meine Herren! Und das machen sie dann auch…
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tic theater, Wuppertal


Solinger Tageblatt, 16.11.2010

TiC-Theater: Am Ende wackeln die Hintern im Takt

von Tanja Heil

WUPPERTAL Im TiC-Theater strippen Männer. „Ladies Night“ ist die Bühnenadaption des Kino-Klassikers „Ganz oder gar nicht.“

Ein Waschbrettbauch sieht anders aus. Betrübt guckt Barry (Tobias Unverzagt) auf seinen Bierbauch. Doch der Schwung, mit dem er zu den rockigen Rhythmen aus dem alten Kassettenrekorder sein Hemd wegschmeißt, macht einiges wett.

Im TiC-Theater in Cronenberg herrscht „Ladies Night“, eine Bühnenbearbeitung des Kinofilms „Ganz oder gar nicht“.

Grundidee: Dave (Iljas Enkaschew) braucht dringend Geld für Miete und den Unterhalt für seinen Sohn und kommt deshalb auf die Idee, die Strip-Nummer der „Chippendales“ zu kopieren.

Ingeborg Wolff, langjähriges Ensemble-Mitglied der Wuppertaler Bühnen, kitzelt als Regisseurin jede Menge Details in Bewegung und Stimme aus ihren Schauspielern heraus, die sie vollends zu einfachen, naiven Arbeitern machen.

Im Gegensatz zu vier anderen Freunden weist Vorarbeiter Grahame (André Klem) Daves Striptease-Ansinnen weit von sich. Erst nach und nach lässt er sich darauf ein.

Am Ende wackeln die sechs dann in ihren roten Tangas tatsächlich (fast) einheitlich mit den Hintern und schwingen die Hüften, angefeuert von der Spitzenunterwäsche, die aus dem Publikum auf die Bühne fliegt. Ein perfekter Abend für Freundinnen, die ihren Spaß haben wollen.
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Staatstheater Nürnberg


Bayerische Staatszeitung, 03.01.2009

von Friedrich J. Bröder

Not macht erfinderisch, sagen sich die sechs arbeitslosen Männer und ziehen sich in den schlechten Zeiten nicht warm an, sondern ganz aus: strippen statt Hartz IV! Als Männer-Strip-Gruppe proben sie den Aufstand gegen das Arbeitsamt und lassen als “Die wilden Stiere” vor ihrem weiblichen Publikum die Hüllen fallen, um ihre “Stütze” aufzubessern. Die Sex-Komödie “Ladies Night” ist drauf und dran zum Kassenschlager der Saison zu werden und heimst in der Nürnberger Tafelhalle, dem Ausweichquartier des Staatsschauspiels, frenetischen Beifall ein, vor allem beim weiblichen Publikum.

In der Inszenierung von Kay Neumann wird die […] Männer-Show […] zum deftigen Bühnen-Klamauk: Michael Hochstrasser, Frank Damerius, Thomas Nunner, Hartmut Neuber, Marco Steeger und Thomas Dietz schenken sich nichts und zeigen (fast) alles, wenn sie in ihrer heruntergekommenen Auto-Werkstatt (Bühnenbild: Günter Hellweg) Disco-Tanz und Striptease proben. […]

Zum Finale, […] legten sie […] eine Nummer hin, die sich sehen lassen kann und alles sehen lässt, ohne dass das Publikum etwas zu sehen bekommt. Aber diesen verblüffenden Überraschungs-Gag darf man nicht verraten; den muss man in dieser herrlich schrägen Männer-Revue gesehen haben!
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Nürnberger Zeitung, 22.12.2008

von Hans-Peter Klatt

Man kann Dave manches anhängen, aber ein Schlappschwanz ist er nicht. Dass er jetzt nicht mehr mit seinem Kumpel Barry in seinen Lieblings-Pub reindarf, das lässt er sich nicht gefallen. Dann brechen die beiden eben in das brechend volle Lokal ein, in diese «Ladies Night«, wo nur Frauen zugelassen sind, weil dort die Männerstrip-Gruppe «Chippendales« auftritt.

Schon hat das Stück seine erste Schenkelklopf-Szene, und in diesem Stil wird es nun in der Tafelhalle zwei Stunden weitergehen. Michael Hochstrasser trägt als Dave zwar ziemlich dick auf, bildet aber zusammen mit dem brillanten Frank Damerius in der Rolle des Barry ein urkomisches Gespann. Binnen Minuten versetzt das Duo die Zuschauer in Hochstimmung, jede Szene wird mit Beifall belohnt.

Das Gelächter steigert sich, als ein Selbstmörder unbeholfen mit seinem Strick kämpft. Das kann nur Norman, das Muttersöhnchen, sein. Norman ist arbeitslos wie fast alle hier in dieser niedergehenden englischen Industriestadt, aber er wird damit nicht fertig. Dave und Barry geben ihm eine neue Perspektive: Er soll in ihrer Striptease-Show auftreten, mit der sie den «Chippendales« den Schneid abkaufen wollen.

Allerdings hat Norman, von Thomas Nunner herrlich vertrottelt gespielt, «Schiss, die Hosen runterzulassen«. Als er es schließlich doch tut, steht er in schlapperigen knielangen Liebestötern da: Das Publikum tobt, die wohl über 70-jährigen Damen in der zweiten Reihe biegen sich vor Vergnügen. Mit einer Zeitungsanzeige suchen die drei nun nach weiteren Mitstreitern für die Gruppe «Die wilden Stiere«, die zunächst «Geile Teile« heißen sollte.

Ob wild oder geil – Gavin, der sich als erster meldet, ist jedenfalls stockschwul. Die anderen meinen, dass er weder tanzen oder schauspielern könne noch sonst zu irgendwas zu gebrauchen sei. Aber da entblößt er seinen Unterleib. Zwar wendet sich Marco Steeger dabei vom Publikum ab, doch an der Reaktion, den hervortretenden Augen von Dave und Barry, wird klar, um welche Ausmaße es sich handelt. «Das wird ein Riesending«, sagt Gavin zufrieden, als er in die Strip-Gruppe aufgenommen ist.

Gewiss, die Dialoge lappen immer wieder ins schmuddelige Reich der Zote. Aber so frisch und temperamentvoll wie das Ensemble mit dem Text von Stephen Sinclair und Anthony McCarten umspringt, geraten selbst Kalauer zum ungetrübten Spaß. Darsteller mit einer derart selbstironischen, lockeren Haltung dürfen einfach alles. Regisseur Kay Neumann lässt es zu, dass jeder seinem Affen Zucker gibt, und das ist in diesem Falle gut so.

Gaudi mit sozialem Hintergrund

Hartmut Neuber und Thomas L. Dietz vervollständigen nun die Truppe, jeder bringt einen neuen, selbstverständlich komischen Strip-Stil aber auch seinen individuellen Hintergrund mit. Neuber zum Beispiel scheitert als Grahame bei einem Vorstellungsgespräch – der soziale Hintergrund, die Arbeitslosigkeit mit ihren verheerenden familiären Folgen, ist somit stets präsent. Im zweiten Teil lässt die Regie sogar Raum für ruhigere, nachdenklichere Passagen, in denen die wackeren Männer von Zweifeln und Animositäten befallen werden.

Der Gaudi tut das jedoch keinen Abbruch, denn letztlich steuert das Ganze auf die titelgebende «Ladies Night« zu – den Abend, an dem sich das Sex-Sextett, zur Linderung seiner Finanznöte, völlig auszieht und damit die prominenten «Chippendales« übertrifft. […]

Wenn man das Thema nicht grundsätzlich ablehnt und dem seriösen Staatstheater auch das derbere Unterhaltungsrecht zubilligt, dann stimmt bei dieser Produktion einfach alles. Die Inszenierung ist ausgesprochen flott, mit perfektem Timing und fetziger Musik. Die Darsteller legen eine überbordende Spielfreude an den Tag […]. Die schwungvolle Choreografie (Olatz Araboalaza) unterstützt die Handlung dezent, ohne sich als eigene Kunstform etablieren zu wollen. […]

Diese Inszenierung hat offenbar das Zeug zum Knüller und Dauerbrenner: Was «Sekretärinnen« zustandebringen, das können echte Kerle auch.