Macho Man - Pressekritiken

Boulevardtheater Deidesheim


Die Rheinpfalz, 27.02.2012

Bauchweh vor Lachen

Boris Stijelja ist als Solodarsteller in der Geschlechterkomödie „Macho Man“ im Boulevardtheater Deidesheim einfach umwerfend.

von Maritta Fischer

DEIDESHEIM. Sind es Schweiß, Haargel oder gar Tränen, die am Ende flossen? Boris Stijelja war es fast einerlei. Nach seiner Premiere mit dem Solostück „Macho Man“, in dem er zwölf Rollen auf einmal spielt, stand er ziemlich feucht, aber ungeheuer glücklich auf der Bühne des Boulevardtheaters Deidesheim. Dessen Leiter Hans-Dieter Willisch sprach dem begeisternd applaudierenden Publikum aus der Seele: „Den Sieg, den du heute Abend errungen hast, den hast du dir wirklich verdient.“

Die Messlatte war hoch. Das kleine Theater in der Deidesheimer Stadthalle war nicht nur ausverkauft, sondern gefühlt doppelt belegt. Klappstühle wurden beigeschleppt, Treppe und Boden belagert. Die Besucher: bunt gemischt durch alle Generationen. Hauptdarsteller Boris Stijelja fungierte als Publikumsmagnet, als Garant für einen unterhaltsamen Abend, noch bevor er seinen ersten Satz gesagt hatte. Das Stück: eine spritzige interkulturelle Liebesgeschichte à la „Griechische Hochzeit“, voller Situationskomik nach dem Roman „Macho Man“ von Moritz Netenjacob. Die Herausforderung: deutsche und türkische Protagonisten zweier Familien nebst Freunden, aber auch Promis wie Reiner Calmund und Udo Lindenberg individuell und glaubhaft verkörpern.

Der Protagonist Daniel durchlebt dabei eine Metamorphose vom Weichei zum Mann. Seine intellektuellen Eltern haben ihn zu einem „Frauenversteher“ erzogen, seine Männlichkeit scheint dabei allerdings auf der Strecke geblieben zu sein. Dass die letzte Beziehung noch nicht überwunden ist, würde er gerne mit erotischen Begegnungen kompensieren. Einziges Problem: die finden nicht statt. Im Erholungsurlaub in der Türkei verliebt er sich in die türkische Animateurin Aylin, die seine
sensible Art zu schätzen scheint. Zurück in Köln lernt er ihre Familie kennen, erfährt, was einen wahren Mann angeblich ausmacht, mutiert zum Macho. Bei Frauen scheint er nun anzukommen, sein Selbstbewusstsein wächst im Spritkostentempo. Doch Aylin missfällt die Entwicklung: „Wenn ich einen Macho will, gibt es in der Türkei jede Menge Originale, dann brauche ich keine billige Kopie aus Deutschland.“

In Rückblenden steigt Boris Stijelja ins Geschehen ein. Schildert die Verzweiflung, die den jungen Mann überfällt, als er seine Angebetete bei einer vermeintlichen Hochzeit mit seinem besten Freund sieht. Es sind erst wenige Minuten gespielt, da ist der gebürtige Kroate schon mindestens in sieben verschiedene Rollen geschlüpft, lässt mit einem Mindestmaß an Requisiten und mit großer Virtuosität in Sachen Mimik und Gestik Bilder lebendig werden. Er schildert so anschaulich seine verzweifelten
Bemühungen und überraschenden Erfolge, dass man sich immer wieder verwundert die Augen reibt, überlegt, ob hier wirklich nur ein Mann auf der Bühne steht. Dass die heitere, aber teilweise doch sehr klischeebeladene Geschichte vom Publikum durchweg positiv aufgenommen wird, hat zwei Gründe: zum einen die wunderbare Leistung des Darstellers, zum anderen der ganze Stab kongenialer Kollegen im Hintergrund. Auch wenn am Ende nur einer agiert, wird der „Macho Man“ vom Team getragen. Da wäre zum einen Regisseurin Petra Mott, mit der Stijelja seit „Kein-Ohr-Hasen” zusammenarbeitet, zum anderen aber zahlreiche andere guten Geister, allen voran Andreas Klar. Er bedient die „schwarze Box“ im Bühnenzentrum, füttert aus deren Mitte die Zuschauerphantasie mit aufs wesentliche reduzierten Zutaten, um dreidimensionale Emotionen zu wecken. Schickt aus der Box schnauzbärtige Türken an den Start, zeigt schon mal den Mittelfinger, lässt eine vollbusige Aylinpuppe tanzen, solange sich der Kollege im Eiltempo entblättert.

Viel Lob aus allen Altersklassen am Ende: Es sei der „absolute Wahnsinn“, meint eine 57-Jährige aus Alsenborn, die über Bauchschmerzen vor Lachen klagt. „Ich hätte gedacht, es wären mehr als einer auf der Bühne“, wundert sich ihr Begleiter über Boris Stijeljas Wandlungsfähigkeit. „Der muss ja was im Kästchen haben, zwei Stunden Text zu lernen und so schnell hin- und herzuspringen“, sagt ein Besucher. Er sei ansonsten kein großer Theatergänger, aber das Boulevardtheater Deidesheim liebe er.
„Hier ist es so locker, da kann ich mich entspannen wie daheim.“ Die Umsetzung der unterschiedlichen Rollen in Mimik und Gestik sei „einfach genial“ , lobt eine 46-Jährige. Die liebevollen Details machen einen zusätzlichen Reiz des Stückes aus. Kirsten Seutter und Jürgen Guthörlein aus Landau haben auch die Stimme erkannt, die mitunter als türkischer Schwiegervater eingespielt wird: Klar, das sei doch Bülent Ceylan.

Während der Proben sei er oft sehr verzweifelt gewesen, verrät der Hauptdarsteller am Schluss, während er Autogramme schreibt. Bei der Premiere selbst war davon wenig zu sehen, einzig der Stoßseufzer „Ich brauch' ein Beatmungszelt“ und die eifrig genutzte Wasserflasche waren Indiz für Adrenalin pur. Nun, nach dem rauschenden Applaus, kann er da entspannt in die nächste Vorstellung gehen? „Nö“, sagt der 30-jährige und grinst. „Das wird wahrscheinlich genauso.“
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Sandkorn-Theater Karlsruhe


Badische Neuste Nachrichten, 09.10.2011

Interkulturelle Liebeskomödie

von Elisa Reznicek

Beste Unterhaltung im Sandkorn-Theater mit „Macho Man“

„Wann ist ein Mann ein Mann?“ fragte schon Herbert Grönemeyer. Daniel, Anfang 30, Typ waschlappiger Turnbeutelvergesser, weiß es jedenfalls nicht. Seine Freundin hat den gutmütigen Frauenversteher abserviert – zu „unmännlich“ und nett war ihr der Sohn intellektueller 68er-Eltern. Um sich abzulenken, reist der Single in einen All-inclusive-Club nach Antalya, wo er prompt seiner Traumfrau begegnet: Aylin. Das Wunder geschieht, Daniel kann tatsächlich mit mehr Glück als Verstand bei der Schönheit landen! Das deutsch-türkische Beziehungsgeflecht, das sich daraufhin zwischen dem ungleichen Paar und den dazugehörigen Sippschaften entspinnt, hält natürlich einige unterhaltsame Fallstricke parat …

Die Liebeskomödie „Macho Man“ bringt nicht nur alle Zutaten mit, um ein ähnlicher Hit wie „Caveman“ und Co. zu werden – man würde es dem Stück und seinen Machern auch von Herzen wünschen! Gunnar Dreßler hat den Bestseller von Moritz Netenjakob in ein funktionierendes Ein-Mann-Schauspiel umgeschrieben, in dem trotz hoher Gag-Dichte und vielen zwangsläufig bemühten Klischees auch emotionale Untertöne nicht zu kurz kommen. Der Stoff liefert wiederum genügend Futter für das Dreamteam Torsten Eikmeier (Darsteller) und Erik Rastetter (Regisseur), die das Potenzial des Materials voll ausschöpfen und 100 Minuten beste Unterhaltung abliefern.

Torsten Eikmeier ist die Idealbesetzung für die Rolle(n). Nimmermüde verkörpert der auch als Radiomoderator und Sprecher gefragte Schauspieler die unterschiedlichsten Charaktere – vom linksalternativen Bildungsbürger bis zur kaffeesatzlesenden türkischen Tante. Eine darstellerische Tour de Force, die Eikmeier scheinbar mühelos und ohne großen Requisiteneinsatz absolviert. Seine Stärken liegen in Mimik und Gestik, den Stimmimitationen, dem hohen „Kumpelfaktor“. Man kann gar nicht anders, als ihn zu mögen und mit ihm mitzufiebern. Regisseur und Kabarettist Erik Rastetter hat „Eiki“ zudem eine ideale Spielwiese geschaffen. Seine temporeiche, gewitzte Inszenierung gewinnt ihren Reiz auch aus der Reduktion. Es wäre einfach gewesen, das Stück so platt und plakativ aufzuziehen, wie es der Titel „Macho Man“ nahelegt. Doch anstatt alles grell auszuleuchten, lässt Rastetter immer wieder auch subtile Nuancen zu. Das Publikum freut’s – viel Applaus für die gelungene Premiere!
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Theater der Alten Molkerei Worpswede


Weser Kurier, 28.09.2011

Vom Schattenparker zum Macho

von Johannes Kessels

Worpswede. Egal wie man es macht, es ist verkehrt – das finden Frauen, und das merken Männer – manchmal, aber meistens zu spät. Daniel merkt es gerade noch rechtzeitig, und dafür sorgt eine Frau, Aylin aus Bremen und aus der Türkei. Schließlich sind selbst Männer manchmal lernfähig: Daniel schafft in zwei Wochen die Wandlung vom Frauenrespektierer zum Macho und dann gar zu einer eigenen Persönlichkeit – was Frauen bewirken können!

“Macho Man” heißt das Solostück von Gunnar Dreßler nach einem Roman von Moritz Netenjakob, das unter der Regie von Martina Flügge im ausverkauften Theatersaal der Alten Molkerei Premiere feierte. Daniel, gespielt von Erik Voß, soll ein Macho sein? Verliebt ist er, ganz am Anfang schon höchst unglücklich – seine angebetete Aylin, die er im Urlaub in Antalya kennengelernt hat, heiratet gerade seinen alten Freund Marc, als er, von Sehnsucht getrieben, wieder in die Türkei fliegt.

Zuschauer, die sich fragen, weshalb der Schluss schon am Anfang verraten wird, können sich auf eine Überraschung gefasst machen. Jetzt wird das Stück von hinten aufgerollt. Daniel fliegt das erste Mal nach Antalya, um die Trennung von seiner Freundin zu verdauen. Seine Flirtversuche mit der Stewardess gehen schief, er ist kein primitiver Anbaggertyp. “Ich habe Respekt vor Frauen. Das Problem ist nur, dass die Frauen keinen Respekt vor mir haben.” Woran das wohl liegt? Das erfährt Daniel noch. In Antalya trifft er seinen alten Schulfreund Marc, der als Animateur arbeitet. Und dann trifft er – oder es trifft ihn wie ein Blitz aus heiterem Himmel – Aylin: lange dunkle Haare, braune Augen, Schmollmund und der perfekte Body. “Panikmäßig geil die Alte, 'ne echte Hammerbraut!” Wenn Marc und Daniel sich unterhalten, reden sie wie Udo Lindenberg – Erik Voß hat nicht nur eine fast unglaubliche Auswahl an verschiedenen Stimmen und Redeweisen auf der Platte, sondern auch ein genauso variables Mienenspiel.

Als Aylin ihn begrüßt, guckt er nur noch dumm. Das schadet ihm aber gar nicht. Aylin, die als Kinderanimateurin arbeitet, aber sonst mit ihrer Familie in Bremen lebt, lädt ihn zu einem Ausflug ein, programmgemäß verschwindet die Sonne langsam am Horizont – das Bühnenbild besteht aus drei weißen Plastiksäulen pro Seite und einer genauso weißen Rückwand, auf die ein ausgeklügeltes Lichterspiel die gewünschte Stimmung projiziert.

Wie Aylin im Bikini aussieht, muss sich der Zuschauer selbst vorstellen.Nur der arme Daniel hat das Pech, in den 70-er Jahren als Kind von Alt-68ern geboren zu sein, als sich die Frauen gerade emanzipiert hatten. “Da war ein Deutscher mit Penis die letzte Arschgurke”, das hat er mitbekommen. Und jetzt wird sein erster Kuss mit Aylin von sechs Soldaten begafft. Da muss er endlich ein Mann sein, findet Aylin, und die Soldaten böse angucken. Im Hintergrund spielt das “Lied vom Tod”, aber Daniel übersteht es, die Soldaten ziehen ab.

Kein Klischee wird ausgelassen

Da steht einem Wiedersehen in Bremen nichts im Wege, und dort schleppt Aylin ihn gleich zu ihren Eltern, wo er ein Verhör zu bestehen hat: “Katholisch? Evangelisch? Jüdisch?” Ähh, nein, weder noch. Welcher Fußballklub? Ähh, Trabzonspor. Volltreffer! Was denkt er über Griechen? Ähh… Vater Denisoglu denkt über die Griechen, dass sie faul sind, weil überall alte kaputte Säulen herumliegen. “Bei den Osmanen steht alles noch.” Der Besuch ist überstanden, der nächste folgt, nun liest Tante Emine aus dem Kaffeesatz die Zukunft von Aylin und Daniel: “Lange Linie, langes Leben – wann ist Hochzeit?”

In dem Stück wird kein Klischee ausgelassen, aber nicht nur über Türken, auch über eingeborene Deutsche wie die Eltern von Daniel, die bei ihrem Besuch bei Familie Denisoglu beinahe alles verderben. Und Aylins Bruder Cem erst! Der schleppt Daniel in eine türkische Disco, vorher aber in ein Klamottengeschäft. Weg mit Leinenhose und Polohemd in zart-olivgrün, raus aus den Boxershorts, rein in den Tanga, darüber ein krachlila Anzug, Haargel und Goldkettchen, und in der Disco hängt sich eine 18-Jährige mit Dekolltée bis zum Bauchnabel an seinen Hals. Aber Daniel bleibt standhaft und abstinent. Nur dass Aylin vor ihrer Hochzeit nicht mit ihm ins Bett will, stört ihn. Aber dem kann man ja abhelfen, indem man schnellstens heiratet.

Wenn da bloß nicht dieser lila Anzug und das Goldkettchen wären! Als Aylin ihn in diesem Aufzug sieht, kippt sie fast um. “Wenn ich einen Macho brauche, hole ich mir ein Original in der Türkei und keine Kopie in Deutschland!” Aylin weg, Daniel wieder normal angezogen, aber unglücklich.

Das dauert eine Woche, dann fliegt er wieder nach Antalya, wo er schon einmal seinen Trennungsschmerz bekämpft hat. Und was hat es mit der Hochzeit von Marc und Aylin auf sich, die den Zuschauern bereits am Anfang verraten wurde? Wie wird Daniel endlich der, der er ist? Nur soviel: Der Schluss vom Anfang ist nicht der Schluss des Stücks.
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Theaterschiff Bremen


Weser Kurier Bremen, 28.08.2011

Weiblicher “Macho Man” sucht Theaterschiff heim

von Sven Garbade

Moment mal, sind wir. eigentlich im richtigen Stück gelandet? Statt des angekündigten “Macho Man” stakst auf der Bühne des Bremer Theaterschiffs vielmehr ein schwachschultriger Weichling von einem Fuß auf den anderen. Keine Muskeln, auch keine vorgereckte Gürtelschnalle sind zu sehen. Was ist hier bloß los? Manche Zuschauer hatten bereits Comedy in Höhlenmensch-Manier befürchtet.

Diese Irritationen haben zu Beginn der jüngsten Theaterschiff – Premiere natürlich ihren guten und gewollten Grund: Hier wird die Geschichte eines (deutschen) Weicheis vorgespielt, das später auf die Seite eines (türkischen) Machos überwecselt. Der blonde Softie versucht das Herz einer
deutsch-türkischen Frau zu gewinnen, indem er höchst tapsig zwischen verschiedenen Rollen changiert. Diese Ein-Mann­ Komödie amüsierte bei der Premiere auf dem Theaterschiff vor allem durch den pfiffig aufspielenden Erik Voss – und ebenfalls durch die Roman-Vorlage von Moriz Netenjakob in der ziemlich derbe und ungemein intlligente Gags schlüssig miteinander gemischt wurden.

Die Zuschauer erleben in der zwei Stun­den dauernden Aufführung also einen Mann namens Daniel: blond, deutsch und verunsichert durch seine jahrelange Dressur zu einem zarten, empfindsamen Zeitgenossen. So schüchtern ist er dadurch geworden, dass ihm selbst ein Flirt mit der Stewardess misslingt. Aber zu seinem Glück verläuft die Annäherung an Damenbekanntschaft später besser, und er kann sich im Urlaub mit dröhnendem Herzen an eine schicke Frau ranmachen.

Schauspieler Erik Voss sinkt ständig auf die Knie, um die flott wechselnden Rollen der beiden Verliebten anzudeuten. Komödiantisch rustikal gespielt, mit energischem Willen zum Gag.
Insgesamt glüht so etwas wie eine freundliche Herzlichkeit, die den gesamten Theaterabend trotz all seiner Grellheiten liebenswert macht.
Die Höhepunkte stellen sich meist dann ein, wenn Voss den türkischen Vater spielt: mit seiner Feindlichkeit gegenüber den Griechen, mit seiner schnarrenden Begeisterung für Fußball, mit seiner Ablehnung für akademisches Geschwätz. Das ist trefflich.

Zwar rattert die ganze Geschichte immer etwas bemüht voran, weil es der TV – Comedy-erprobte Autor Netenjakob genauso getaktet hat.

Alles mischt sich schön gleichmäßig und ein wenig vorhersehbar aus Verlierer- und Gewinner-Geschichte. Ein dramatisches Achterbahngefühl soll sich durch möglichst schwungvoll eingerichtete Kurven im Stückverlauf einstellen. So wird Versager Daniel kurzerhand wieder zum Gewinner, wenn er im Urlaub besagte türkische Frau erobert. Dann folgt die Heirat in Deutschland. Zuvor muss eine türkische Wahrsagerin, als der Zuckerguss der ersten Liebe weggeblasen ist, noch im Kaffeesatz rummatschen.

Man ahnt: Die Winkelzüge der Geschichte legen erstaunlich schnelle Querabbiegungen ein. Doch die meisten Ungereimtheiten können problemlos weggelacht werden.

Am Ende wird der tollpatschige Held erneut zum Verlierer werden, weil er das Macho-Gehabe seiner angeheirateten türkischen Familie übereifrig angenommen hat. Damit verprellt er seine Frau. Das ist dann die schönste und bedenkenswerteste Wendung an diesem Theaterabend, der sich so albern gibt – und doch so viele Abgründe ganz wunderbar beschreibt.
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TiC-Theater Wuppertal


Cronenberger Woche, 11.08.2011

TiC: Ein Macho mit Spaß-Garantie

von Marcus Müller

Wer aktuell nicht in Urlaub fährt, dem sei ein Besuch im TiC-Theater ans Herz gelegt: Denn an der Borner Straße gibt es südländische Kultur, einen improvisierten Sandstrand und eine extra Portion Antalya obendrauf. Zweimal Deutschland – Türkei, hin und zurück, in gerade einmal gut zweieinhalb Stunden schafft „Macho Man“ Dennis Wilkesmann – eine wahre Marathonleistung!

Und das schon, bevor es eigentlich los geht: Denn während die Besucher ihre Plätze im „Podium“ an der Borner Straße suchen, rennt „Daniel“ auf der Bühne bereits verzweifelt seiner „Aylin“ hinterher. Würde er Kilometergeld erhalten, er wäre am Ende einer jeden Vorstellung ein reicher Mann. Auch im Anschluss geht es nicht weniger turbulent zu: Wilkesmann „hüpft“ von Rolle zu Rolle – bei „Macho Man“ handelt es sich um eine „One-Man-Show“, die Multitalent und Stimmenimitator Wilkesmann voll und ganz ausfüllt.

Dabei ist Daniel so gar nicht einer, der gerne im Mittelpunkt steht. Schüchtern, zurückhaltend, aber auch ein wenig „notgeil“. Ihn freut es schon, wenn er sich mit Kumpel Mark wie Udo Lindenberg begrüßen kann, ist aber traurig, wenn die Stewardess seinen Flirtversuch nicht als solchen wahrnimmt. Er ist sich bewusst, dass er bei der Kommunikation in romantischen Augenblicken wahrlich nicht der Beste ist; er hält sich für Kreisklasse, muss sich aber plötzlich mit der Champions League beschäftigen, als er im Türkei-Urlaub Aylin trifft. Er, der kleine Junge aus Berlin, erobert plötzlich die ganze Türkei.

„Macho Man“ ist ein Sprung zwischen den Kulturen. Moritz Netenjakob, der unter anderem auch als Autor für die Comedy-TV-Formate „Die Wochenshow“ und „Stromberg“ arbeitete, schafft es gekonnt, in seinem Bestseller die Unterschiede zwischen Deutschen und Türken herauszustellen, zu persiflieren und sogar noch auf die Spitze zu treiben. Der Humor ist zum Teil jugendlich derb – aber nie unter der Gürtellinie: Daniel kann ruhig ein „ungläubiger Griechenfreund“ mit einer „historischen Arschkarte“ sein, solange er Aylins Vater aus der Seele spricht und Trabzonspor gut findet.

Und all diesen spitzen Pointen weiß Regisseurin Julia Penner, selbst ausgebildete Schauspielerin und Tochter des ehemaligen Bundestagsabgeordneten Dr. Willfried Penner, noch einen drauf zu setzen. Sie lässt das Bühnenbild ungewohnt schlicht und Dennis Wilkesmann darin zur Höchstform auflaufen. Dem rasanten Auftreten vor Beginn folgt ein Feuerwerk an witzigen Gegebenheiten, romantischen Momenten und kritischen Situationen. Wilkesmann agiert in sommerlichen Kostümen von Wiebke Fichte professionell, schlagfertig und genau – fast so, wie man es als Zuschauer auch erwartet. Manches erwartet man allerdings nicht, und das macht „Macho Man“ noch witziger – ein heißer Sommer-Tipp!
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Tribüne Berlin


PLAYS International, Winter 2011, Vol 26 Nos 3 & 4

Berlin

von Hans-Jürgen Bartsch

[…]

Moritz Netenjakob is a stand-up comedian and a scriptwriter of television series. Two years ago he published his first novel, and a very amusing one at that. Macho Man is about a German-Turkish romance and the culture clash it entails. A stage version, arranged and directed by Gunnar Dreßler, can be admired at the Tribüne. It’s one of the best comedy shows in town.
At a beach club on the Turkish Riviera, Daniel, a diffident young German in his early thirties, who prides himself on ‘understanding and respecting women’, falls in love with Aylin, a Turkish beauty working at the club. To his amazement, she fancies him over the throng of suitors vying for her favours. Winning her over is therefore easy. Not so finding favour with her family, an immigrant clan living in Berlin, run – in accordance with Turkish tradition – by a macho father. To ease Daniel’s entry, Aylin had taught him the Turkish for ‘I greet the master of the house’, but to his consternation she has played a joke on him and made him say ‘Hello, you old pimp!’ He avoids eviction only because he happens to support the old man’s favourite football team. To another dilemma he does not find solution: should he help with the washing-up or would that make him look a wimp?
He faces many more such trying tests, all of them giving rise to hilarious situations as, for example, when Aylin’s brother takes him to a Turkish café and an all-male discothequee, or when his parents prepare for a visit to their future in-laws (‘How do you say: we are not Nazis?’). They immediately become caught up in an argument about the Greeks for whom, not surprisingly, Aylin’s father has no great esteem (‘Everything they built is kaput’) and about whether ‘olive’ is a word of Greek origin (‘Their olives taste like sheep’s piss’).
Macho Man is a one-man show. At the Tribüne, the man is called Markus Schoenen. Alone on stage for nearly two hours, he takes us through Daniel’s story in a non-stop bravura monologue. He does not recite; he speaks the lines as if he had just thought of them. He effortlessly switches from one German accent to another, including that spoken by Turkish immigrants. It’s a mesmerising performance, strongly to be recommended.
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Theater in der Basilika


Hamburger Morgenpost, 07.01.2011
Hamburger Morgenpost: Ein Softie wird zum Mann
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Hamburger Abendblatt, 07.12.2010

Weichei wird zum Macker

In der Bühnenadaption von Moritz Netenjakobs Roman Macho Man überzeugt Markus Schoenen

Theater in der Basilika. Die Sache mit den Gefühlen zwischen den Geschlechtern ist ja nicht so einfach. Erst recht, wenn noch interkulturelle Missverständnisse hinzukommen. Daniel, Kind zweier 68er-Gutmenschen, will sich für seine neue türkischstämmige Freundin Aylin in einen Supermacho verwandeln in der Annahme, dass sie darauf abfährt. Großer Irrtum, der die Beziehung um ein Haar an den Rand des Scheiterns bringt.
Gunnar Dressler, Regisseur und Betreiber des Theaters in der Basilika, setzt mit der Bühnenfassung von Moritz Netenjakobs Erfolgsroman “Macho Man” programmatisch auf einen Hit der leichteren Muse. Intimität ist bei Aylin und Daniel vor der Ehe selbstverständlich tabu. Zurück in Deutschland lernt Daniel Aylins Großfamilie kennen. Und sieht sich plötzlich beim Dialog mit dem Schwiegervater fiesen Witzen über die Griechen ausgesetzt.

Seine eigenen Eltern wiederum überschlagen sich in der Freude darüber, dass ihr Sohn mit einer “Ausländerin” zusammen ist, die es zu integrieren gilt. “Klischees haben etwas Beruhigendes”, sagt Markus Schoenen als Daniel. Ja, aber hier bildet der ungeschminkte Umgang mit ihnen die Basis des Stücks, und das ist auf die Dauer arg undifferenziert. Die Pointe unter der Gürtellinie ist hier gewollt. Schoenen überzeugt als Frauenversteher und eingeschüchtertes Weichei, das sich unvermittelt – wenn auch nur rein äußerlich – in einen grobmotorischen Hengst mit Goldkette, grauem Satinsakko, Lackslippern und Gelfrisur verwandelt.

Schoenen trägt den ganzen Abend. Muss er auch. Außer einem Koffer hat er keine Requisiten zum Festhalten. Ab und zu leistet ihm eine Türkenpopmelodie von Tarkan Gesellschaft. Ansonsten bleiben ihm nur Worte, Gesten und Grimassen. Und da gibt er alles, changiert durchaus gekonnt zwischen dem Schattenparker mit hängenden Schultern und dem breit fabulierenden Schwiegervater. Es ist die reine Freude, ihm bei seiner Verwandlungskunst zuzuschauen. […]
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Tribüne Berlin


Neues Deutschland, 22. November 2010

Antimacho

von Anouk Meyer

Daniel ist schüchtern, unbeholfen und ein Deutscher. Aylin ist schön, beliebt und eine Türkin. Trotzdem scheint sie sein Interesse zu erwidern. Kann das gut gehen? Wie sich die Liebesgeschichte zwischen dem Softie, der immer alles richtig machen will, und seiner Traumfrau mit Migrationshintergrund entwickelt, erzählt der Comedyautor Moritz Netenjakob mit treffsicherem Humor in seinem Roman »Macho Man«, den die Tribüne nun unter gleichem Titel auf die Bühne gebracht hat.

Hausregisseur Gunnar Dreßler ist in der Ein-Personen-Komödie nahe am Original geblieben und setzt ganz auf den temporeichen Witz des Buches und die schauspielerischen Fähigkeiten seines Darstellers Marcus Schoenen. Den lässt er als Ich-Erzähler Daniel die Geschichte im Rückblick aufrollen. Um die Trennung von seiner Freundin zu verdauen, fliegt der linkische Daniel in die Türkei, wo sein bester Freund Mark als Animateur in einem Club arbeitet. Auf den ersten Blick verliebt er sich in dessen Kollegin, die charmante und liebenswürdige Aylin – und was er nie zu hoffen gewagt hätte, passiert: Aylin erwidert seine Gefühle und verliebt sich in ihn, das unmännliche Weichei. Daniel schwebt auf Wolken, doch zurück in Deutschland stößt er bald auf neue Probleme: Wie soll er sich seinen türkischen Schwiegereltern in spe gegenüber verhalten? Und wie werden seine eigenen Eltern, die linksintellektuellen Alt-68er, mit der traditionsbewussten Großfamilie klarkommen?

Autor Moritz Netenjakob, im wahren Leben mit der türkischstämmigen Schauspielerin Hülya Dogan verheiratet, scheut in seinem Romanerstling kein Klischee, unterläuft aber gleichzeitig die gängigen Vorteile mit Ironie und einem guten Gespür für Situationskomik. Sicher, die eine oder andere Szene, die im Buch völlig selbstverständlich daherkommt, wirkt auf der Bühne arg aufgesetzt, so mancher Gag ist vorhersehbar. Dass man den Helden der Geschichte trotz seines infantilen Verhaltens und der furchtbaren Udo-Lindenberg-Imitation schnell ins Herz schließt, liegt vor allem an der gekonnten Darstellung durch Marcus Schoenen, der den Daniel genau so spielt, wie man ihn sich vorstellt, aber auch alle anderen Protagonisten durchaus treffend zeichnet.

Das gelingt ihm besonders gut, wenn die kulturellen Unterschiede zwischen den Milieus zum Tragen kommen, sich zum Beispiel die beiden Elternpaare erstmals kennen lernen. Wie hier der linksalternativen Akademikerszene mit ihrer aufgesetzten Toleranz ein Spiegel vorgehalten wird, ist treffend und witzig zugleich. Man ist gegen alte undemokratische Traditionen, aber für multikulturelle Integration: Wie also umgehen mit der an Formalien orientierten muslimischen Großfamilie? Das tatsächliche Zusammentreffen des hanseatischen Paares mit dem temperamentvollen türkischen Gegenpart birgt die erwartete Menge an Missverständnissen auf kultureller wie intellektueller Ebene und gehört dadurch zu den besten Szenen des Stücks.

[…] »Macho Man« [kommt] als leichtfüßige moderne Komödie daher, die ebenso sehr die (falschen) Erwartungshaltungen zwischen Mann und Frau auf die Schippe nimmt wie die Problematik einer multikulturellen Liebesbeziehung.
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Berliner Morgenpost, 18. November 2010

Wie aus einem Waschlappen ein Macho wird

von Ulrike Borowczyk

Daniel ist der typische Warmduscher. Seine Freundin hat ihn gerade verlassen, weil er ihr zu unmännlich ist. Um die deprimierende Episode zu vergessen, fliegt er nach Antalya ans türkische Mittelmeer, wo sein bester Freund Mark gerade als Animateur arbeitet.

Dann geschieht ein großes Wunder: Ausgerechnet sexy Aylin, der die gesamte Männerwelt des Clubs zu Füßen liegt, verliebt sich in Weichei Daniel. Seine Freude währt kurz, denn zurück in Berlin, muss der Waschlappen vor seiner zukünftigen türkischen Verwandtschaft bestehen.

Man nehme den Frauenversteher-Sohn dogmatisch-linker 68er-Eltern, eine in manchem, aber bei weitem nicht allen Belangen moderne, bildhübsche Tochter traditioneller Türken, schrecke auch vor peinlichen Calmund- und Lindenberg-Parodien nicht zurück, wirble alle Zutaten durcheinander – und schon hat man einen locker-flockigen, pseudo-selbstironischen Comedyroman, der vor Stereotypen strotzt. Aber einen hohen literarischen Anspruch erhebt Moritz Netenjakobs “Macho Man” wohl auch kaum.

Wieder einmal hat Regisseur und Tribüne-Chef Gunnar Dreßler einen Verkaufsschlager für die Bühne adaptiert. Diesmal ist es der erfolgreiche Debütroman des Kölner Comedians, Drehbuchautors und Gagschreibers, inszeniert als durchaus gelungene One-Man-Show in der Tribüne. Natürlich türmt sich auch auf der Bühne Klischee auf Ressentiment, werden x-mal gehörte Pointen zu Tode gequält. Besonders katastrophal ist allerdings Netenjakobs gesellschaftspolitische Botschaft, die uns sagt, am schönsten ist es ganz kleinbürgerlich am heimeligen Großfamilienherd.

Natürlich ist ein Bestseller mit mindestens einem Witz pro Halbsatz aber auch eine Steilvorlage für eine Solo-Comedyperformance – und die bietet Markus Schoenen als Daniel. Wie in einem Comicstrip grimassierend und dazu immer wieder in alle anderen Rollen schlüpfend, gibt Schoenen den Ich-Erzähler. Erst verklemmt, später in Gewissensnöten. Denn um vor der türkischen Familie nicht als Turnbeutelvergesser dazustehen, mutiert Daniel zum Macho – was Aylin auf die Barrikaden bringt. Wer vor Netenjakobs Plattitüden nicht zurückschreckt, dürfte an Schoenens rasantem Spiel allemal seinen Spaß haben.